Foto: Thilo Schmülgen

Bayenthal. Die Mischung macht‘s.

In dieser Rubrik betrachten wir das Leben und Wohnen in Köln. Was ist Bayenthal? Ein weitgehend unbeachtetes Anhängsel der flirrenden Südstadt? Und ein unscheinbarer Vorhof zum schicken Marienburg? Beides ein bisschen richtig, aber auch ziemlich falsch: Denn gerade die Lage zwischen den prominenten Veedeln verleiht Bayenthal einen eigenen Charakter.

Oh, glückliches Bayenthal! Wo nicht weit von Vater Rhein „Il Gelato di Ferigomit Kölns womöglich bestem Speiseeis lockt. Wo Eltern ihre Kinder guten Gewissens unbeaufsichtigt auf einen der zahlreichen Spielplätze entlassen können. Und wo sogar „Die Hüpfenden Flöhe“ wohlgelitten sind. Allerdings treten sie hier auch nicht als Sack stechender Plagegeister auf, sondern als Ukulele spielendes Orchester.

16 Mitglieder zählt das 2014 aus einer Ukulele AG an der Maria-Sibylla-Merian-Schule hervorgegangene Klangkörperchen aktuell, 14 davon sind Mädchen. Die größten Hits sind die Coverversionen „Achterbahn“ und „Pänz PänzPänz“ der Bläck Fööss‘, mit denen die Flöhe auch schon auf die Bühne sprangen.

„An unserer Schule lernen alle Kinder ab der 4. Klasse Ukulele“, erklärt Georg Mühlenhöver, als musikalischer Oberfloh der einzige aktive Ukulelist des Orchesters, der die Volljährigkeit überschritten hat. „Das Instrument erleichtert den Einstieg ins Musikmachen. Es ist wie eine Gitarre, bei der die beiden unteren Saiten fehlen. Dadurch lassen sich die Akkorde einfacher greifen als bei der großen Schwester.“ 

 

Einen weiteren Vorteil der Ukulele nennen Luisa, Luise, Chiara, Emilia und ihre Kolleginnen: „Damit können wir uns besser bewegen!“ Stimmt: Mit einem Klavier zum Beispiel ist schlecht Hüpfen. In guten Jahren hopsen die Flöhe um die zehnmal auf die Bühnen der Stadt. Bei „Die Philharmonie singt“ mit regelmäßig rund 2000 Pänz im Publikum gehören die „Hüpfenden Flöhe“ schon zum Inventar.

Floh-Mädchen Hanna ist erst kürzlich von Bayenthal nach Dellbrück gezogen. Aber deshalb ihre Schulfreundinnen und ihr Ukulele-Orchester verlassen? Kommt nicht infrage! Dellbrück ist zwar auch schön, aber Hanna würde Bayenthal schrecklich vermissen. Weniger zwar die Bonner Straße mit ihrer Dauerbaustelle. Auch nicht die Busse der KVB, die selten pünktlich sind. Und ebenso wenig die Stadtbahn-Linie 17, die immer noch nicht bis zum Dom fährt. Aber sonst? Alles super, zählen die Flöhe gemeinsam auf: Spielplätze, Bolzplätze, Sporthallen, Hundewiesen, nette Menschen, Tischtennisplatten, 1-Meter-Bratwürste – alles da. „Und viele schöne Läden“, sagen die Flöhe. „Außer für Klamotten.“ 

Vorsitzender des Trägervereins Sebastian Witt

„Große Ziele, aber machbar!“

Eine wichtige Institution trägt Sebastian Witt, der Vorsitzende des Trägervereins, nach: das „Neuland“. Als eines der ersten Urban-Gardening-Projekte Deutschlands 2011 gegründet, mussten die rund 50 Vereinsmitglieder 2024 umziehen und sich dabei verkleinern: von rund 10.000 auf 3.000 Quadratmeter. Sprecherin Judith Levold hat sich mit den Gegebenheiten angefreundet. „Als die Bagger unseren in vielen Jahren gewachsenen Garten innerhalb von drei Tagen plattgemacht haben, habe ich ein paar Tränen verdrückt. Aber hier auf dem neuen Gelände können wir unsere Erfahrungen nutzen und alles besser strukturieren.“ 

Nur ein paar Hausnummern weiter an der Koblenzer Straße ist das „Neuland“ nun unverrückbarer Teil der Stadtplanung. „Wir werden der essbare Teil des erweiterten Grüngürtels sein, zu dem sich die Stadt verpflichtet hat.“ Noch ist viel zu tun, alles muss von Grund auf neu aufgebaut werden, und zwar wortwörtlich. Momentan wachsen auf dem kargen Boden kaum mehr als ein paar Kartoffeln. Künftig aber wird hier ein Garten entstehen, der schön ist, satt macht und Menschen zusammenbringt. Große Ziele, aber machbar: „Wir sind ja nicht nur ein paar Hobby-Gärtner, wir haben auch Leute dabei, die ökologische Landwirtschaft studiert haben.“ Die Arbeit am Grün ist für Levold nicht nur gut fürs Stadt-, sondern auch fürs Gesellschaftsklima. „Wir betreiben hier angewandte Sozialarbeit und Umweltbildung. Es dürfte keine Schule in Bayenthal geben, die noch nicht bei uns war.“ 

Es dürfte wohl auch kaum einen Menschen in Bayenthal geben, der noch nie bei Thomas Kremer war. Sein Metzgerei- und Feinkostladen in der Goltsteinstraße ist eine Institution, wie sie jedes Veedel braucht, wenn es eine Identität entwickeln will. „Wir haben Kunden, die kennen wir seit dem Kindergartenalter“, sagt der Chef, selbst vor rund 40 Jahren aus Moitzfeld eingewandert. „Wir sind eine Anlaufstelle geworden für den üblichen Verzäll. Aber auch, wenn einer was braucht, zum Beispiel weil er neu in der Stadt ist: Adressen, Infos, Tipps – gibt‘s bei uns.“Fürs Zusammenleben tut er was. Er sponsort Kindergarten- und Schulfeste, engagiert sich mit der Kirchengemeinde St. Mathias für Hilfsbedürftige.Er schätzt den Austausch mit den anderen Gewerbetreibenden und ist froh, dass von den großen Einkaufszentren bisher keins in Bayenthal steht. „Das ist hier einer der wenigen Stadtteile in Köln, wo noch alles okay ist.“ 

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Dr. Norbert Moos im „Forum für Fotografie“

Eins aber fehlt bisher: „Ich kenne keinen relevanten Fotografen, der sich an Bayenthal abgearbeitet hat“, sagt Dr. Norbert Moos. Er muss es wissen. 2003 hat er in einer ausrangierten Druckerei an der Schönhauser Straße das „Forum für Fotografie“ eingerichtet, das sich seither mit fünf bis sechs großen Ausstellungen jährlich, unter anderem von Mischa Wolf, Martin Schöller, Helmut Newton und Ren Hang, auch international einen Namen in der Welt der Fotokunst gemacht hat. Derzeit läuft eine Schau mit Fotografien aus der Kölner Südstadt, aufgenommen 1955/56 und 2020/24 von Chargesheimer und Eusebius Windeier. 

„Köln war zu Zeiten der Photokina eine große Fotostadt“, erinnert sich Moos, der zwölf Jahre lang die Photoszene Köln geleitet hat. „Dann aber kam der Niedergang der Messe und damit auch Kölns als Standort für zeitgenössische Fotokunst.“ Seine Idee, so bilanziert er heute, sei aufgegangen. „Wir haben mit dem Forum eine Lücke gefüllt und freuen uns immer wieder, wie gut es angenommen wird.“ Und das nicht nur von weit angereisten Foto-Connaisseuren, sondern auch von Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft. „Marienburger und Alt-Bayenthaler treffen hier auf Südstädter. Das ergibt ein richtig buntes Publikum.“ 

Text: Sebastian Züger