Foto: Thilo Schmülgen

Dellbrück. Alles Banane?

In dieser Rubrik betrachten wir das Leben und Wohnen in Köln. Kurz vorm Bergischen Land ist Köln nochmal richtig kölsch, aber mit einer eigenen, durchaus selbstbewussten Note. 

Gar nicht mal so wenige Kölnerinnen und Kölner dürften das Wörtchen „Dellbrück“ nur von den Schildern auf der A3 kennen. Dabei liegt die so bezeichnete Ausfahrt auf der Grenzlinie zwischen Buchheim und Holweide. Wer tatsächlich nach Dellbrück möchte, muss sich – von der Autobahnabfahrt kommend – noch drei Kilometer über die chronisch verstopfte Bergisch Gladbacher Straße quälen, die die Vororte in eine Nord- und eine Südhälfte zerteilt. Schön ist das nicht. Und mit Sicherheit ein Grund dafür, weshalb das Rechtsrheinische pauschal als „schäl“ verunglimpft wird, was an der Realität so sehr vorbeigeht wie der eingangs erwähnte Wegweiser.

Keine Damen, alles Typen

Das Dellbröcker Boore-Schnäuzer Ballett

Wer sich jedoch die Mühe macht, sich jenseits der Schneise umzusehen, darf sich auf einen Vorort freuen, in dem sich schon die ersten Hügel des Bergischen Lands abzeichnen und dessen gut 20.000 Einwohner viel zum kölschenen Lebensgefühl beizutragen haben. In vorderster Reihe sorgt dafür eine Tanzgruppe, wie sie im Kölner Karneval – und bestimmt auch darüber hinaus – einzigartig ist: das Dellbröcker Boore-Schnäuzer Ballett der Karnevalsgesellschaft UHU. Die gegenwärtig rund 35 Mitglieder machen lustvoll alles anders als die etablierten Tanzgruppen. Das fängt beim Tanzen selbst an – eher Parodie denn Hochleistungsdarbietung – und geht beim Geschlecht weiter: keine Damen, alles Typen. Allen voran ist das Tanzmariechen eine ausgewachsene Marie, ein mit Frauenkleidern angetaner Wuchtbrummer, der nicht selbst in die Luft geht, sondern fliegen lässt: und zwar das schmächtige Tanzoffizierchen.

Kommandant Ralf Stumper

„Die Kneipen in Dellbrück werden immer weniger.“

Kommandant Ralf Stumper hat seine Mannen diesmal vor der Pizzeria Pippo einbestellt. „Wir treffen uns immer in wechselnden Lokalitäten“, sagt er. „Aber es ist gar nicht so leicht, da für Abwechslung zu sorgen, die Kneipen in Dellbrück werden immer weniger.“ Gleich startet der Vereinsbus Richtung Klettenberg, im Brunosaal ist jecke Sitzung. In Dellbrück selbst fehlen geeignete Räume und sind auch nicht in Sicht, weshalb die hiesigen Karnevalisten für ihre Sitzungen üblicherweise auf die Gesamtschule Holweide ausweichen müssen. 

Rund 50 Auftritte absolviert das Männerballett pro Session, in besseren Zeiten waren es doppelt so viele. Vielleicht tanzen sich die Boore ja 2026 wieder in altbekannte Höhen, wenn sie ihr 50-jähriges Bestehen feiern. „Sowas wie wir kann nur aus Dellbrück kommen“, behauptet Stumper. „Wir sind keine Städter, aber auch keine Bauerntrampel. Dieser Haltung entspricht auch unser Kostüm mit Schnauzbärten, Dreispitzen und Gehröcken: gewollt, aber nicht gekonnt. Mit Absicht.“ Diese Ambivalenz hält er für „typisch Dellbrück“. Sie zeige sich auch im Umgang der Boore mit dem im Karneval weithin unabkömmlichen Rauschmittel: „Wir brauchen keinen Alkohol, um lustig zu sein. Aber sicher ist sicher.“

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Der Bananen-Adler am Eingang zum Leskanpark

Da kann‘s schon mal passieren, dass der ein oder andere bei der Rückfahrt den Bus verpasst. Wer dann per S-Bahn in Dellbrück anlandet, sieht ihn sofort: den Bundes-, pardon, den Bananen-Adler. Gelb auf Backstein prangt er an einer historischen Fabrikfassade am Eingang zum Leskanpark. Auf dem Gewerbehof tummeln sich mehr als 60 Betriebe, von Konzern bis Handwerk, von Kletter- über Tanzsport bis Atelier. In einer rund 600 Quadratmeter großen Halle gleich nebenan gibt es noch mehr davon: nein, nicht Betriebe, sondern – Bananen.

Thomas Baumgärtel

Der „Bananensprayer“

Wer sich mit Kunst beschäftigt, weiß sicher schon, von wem die Rede ist: von Thomas Baumgärtel, dem „Bananensprayer“. Mitte der 1980er Jahre kam er vom Niederrhein nach Köln, damals noch eine der wichtigsten Kunstmetropolen der Welt. Kurz darauf sprühte er die erste seiner mittlerweile ikonischen Graffiti-Bananen an eine Wand des Museum Ludwig. Dort hielt sich die Begeisterung in Grenzen, der Übeltäter wurde per Großfahndung gesucht. Für Baumgärtel erwies sich der Stunt jedoch als beste PR in eigener Sache. Inzwischen adelt er die gesamte (Kunst-)Welt mit seinen Bananen, seit rund zehn Jahren tut er dies von Dellbrück aus.

Baumgärtel mag die Einheimischen, schätzt die Dellbrücker Hauptstraße als lebendige Einkaufsstraße, radelt gern die Strunde entlang und ist schon mit einem Bananen-Bob im Veedelszug mitgefahren. Kurz vor Corona organisierte er eine Werkschau auf dem Leskan-Gelände mit rund 300 Exponaten, bei der Eröffnung spielte der deutsche Reggae-Musiker Gentleman: „Das war eine tolle Sache. Aber es wird schwierig, so etwas hier nochmal hinzukriegen.“ Die Halle in Dellbrück ist nur zur Miete. Möglicherweise verabschiedet er sich bald ganz oder teilweise nach Bickendorf, dort steht eine zum Verkauf.

Thomas Lennartz vom Verein Historische Straßenbahn Köln

„Manche sehen wir mehrmals im Jahr.“

Gar nicht allzu weit entfernt, im Thielenbruch, gäbe es durchaus eine Halle von Baumgärtels Kragenweite. Doch das Straßenbahnmuseum, das dort seit 1997 residiert, ist „für die Kölner Verkehrsbetriebe ein Riesenerfolg“, wie Thomas Lennartz vom Verein Historische Straßenbahn Köln berichtet, steht also nicht zur Disposition. Bisweilen kommen mehr als 1000 Besucher, wenn die Ausstellung an jedem zweiten Sonntag eines Monats öffnet, darunter auch viele direkt aus der Nachbarschaft: „Manche sehen wir mehrmals im Jahr. Vor allem für Kinder ist das hier eine tolle Sache.“ Kein Grund also, die Räume aufzugeben, im Gegenteil: „Wir bräuchten eigentlich mehr Platz.“

Foto: Thilo Schmülgen
Foto: Thilo Schmülgen
Foto: Thilo Schmülgen

Zusätzlich zu den historischen Bahnen aus bald 150 Jahren KVB-Geschichte – 2027 ist Jubiläumsjahr – hat auch die erste Generation von „Timeride“ hier einen Platz gefunden, die eindrucksvolle Reinkarnation des unzerstörten Kölns vor den beiden Weltkriegen in Virtual Reality. Am eigentlichen Sitz am Alter Markt gab‘s ein technisches und inhaltliches Update. Lennartz: „Da haben wir natürlich gerne zugeschlagen.“ Wer mag, kann im Thielenbruch also nicht durch historische Waggons, sondern auch durch das alte Köln flanieren. Lauter gute Gründe also, die Autobahnabfahrt „Dellbrück“ öfter mal in der Absicht zu nehmen, auch tatsächlich dort anzukommen.

Links:

https://kguhu.de/content/76/81/menu1/schnaeuzer-ballett

https://bananensprayer.de/

https://www.kvb.koeln/unternehmen/museum_thielenbruch.html

Text: Sebastian Züger