Leben und Wohnen im Kölner Veedel Buchheim
Foto: Thilo Schmülgen

Buchheim. Wozu woanders hin?

In dieser Rubrik betrachten wir das Leben und Wohnen in Köln. Im Kölner Osten, zwischen Mülheim und Holweide, liegt Buchheim. Ein Stadtteil, der schwer zu (be-)greifen ist. Gibt es so etwas wie eine Buchheimer Identität?

Sozialraumkoordination

„Es ist interessant, dass hier alles so unterschiedlich ist“

Claudia Greven-Thürmer, langjährige Sozialraumkoordinatorin in Buchheim und Buchforst, fährt in der Buchheimer Selbsthilfe (BuchSe) mit dem Finger über einen Stadtplan. „Es ist interessant, dass hier alles so unterschiedlich ist“, sagt sie und streift vom stellenweise stark erneuerungsbedürftigen Norden Buchheims mit seiner industriellen Prägung über die Mietquartiere in der Mitte in den Süden zum schmucken Grün rund um die Herler Burg. „Nicht einfach, hier Menschen zusammenzubringen.“ Überdies fallen in diesem Jahr die „Buchheimer Kulturtage“ aus – wegen Corona. „Das ist wirklich schmerzhaft, denn da stellen viele Bürger und Institutionen des Veedels gemeinsam was Tolles auf die Beine.“

Identität wachse in Buchheim bisher allenfalls in Mikrokosmen, ergänzt ihre Kollegin Angelika Krummenauer. „Die Neubausiedlung in der Nähe der Feuerwache ist so ein Beispiel. Da ist in den vergangenen Jahren ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden.“ Wie überall in Köln schreitet auch in Buchheim die Verdichtung voran. Die Arbeit für die BuchSe, die für alle Altersgruppen vom Kita-Kind bis zur Seniorin Sozialprogramm macht, wird auch nach bald 30 Jahren ihrer Existenz nicht weniger. Greven-Thürmer sorgt sich. „Ich kann mir momentan nicht vorstellen, wo all’ die Kinder, die jetzt zuziehen, später in die Schule gehen sollen.“

Nageldesign Bircan Cok

„Es ist kunterbunt hier“

Vielleicht absolvieren sie ja eines Tages eine IHK-zertifizierte Schulung bei Bircan Cok. Ihr Ladenlokal an der Wichheimer Straße ist einzigartig in Köln: An den drei Arbeitsplätzen bildet sie Nageldesignerinnen, Fußpflegerinnen und Wimperstylistinnen aus. Und zwar nicht nur im Handwerk selbst, sondern auch in Fragen wie Gewerbeanmeldung oder Versicherung. Was man eben so braucht, um ein Nagelstudio betreiben zu können.

Cok ist vor einigen Jahren aus Ulm nach Köln gezogen. Inzwischen hat sie hier ihre große Liebe gefunden und geheiratet, doch die Stadt war keine Liebe auf den ersten Blick. „Es heißt ja immer, die Kölner seien so offen“, sagt Cok mit kaum hörbarem schwäbischen Akzent. „Aber bei mir kam das anfangs nicht so an. Bei Behördengängen zum Beispiel habe ich viel Unfreundlichkeit erlebt.“ Auch Buchheim hat sie überrascht. „Das war für mich wie eine andere Welt: der hohe Ausländeranteil und die viele Armut, auch bei Deutschen.“ Inzwischen hat sie sich eingewöhnt. „Es ist kunterbunt hier. Ich habe alles, was ich brauche. Und zum Rhein sind es zu Fuß keine 15 Minuten.“

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Glückliche Buchheimer

„Das ist hier definitiv unsere City“

Noch schneller geht’s mit dem öffentlichen Nahverkehr, weiß Günter Pröhl von der lokalen Geschichtswerkstatt. „Wir haben hier ein einzigartiges Kreuz aus U- und S-Bahnlinien und kurze Wege zu den Anschlüssen in alle Welt“, sagt er und fügt stolz hinzu: „Es gibt keinen Vorort in Köln, der so gut angebunden ist!“

Man kommt also gut weg aus Buchheim. Aber warum bleibt man da? So wie die rund 13.000 Einwohner? So wie die legendäre TV-Familie Fußbroich? Oder wie Silke Bierger? Sie ist in Buchheim aufgewachsen und in die Schule gegangen und hat in St. Mauritius – der Kirche mit dem „Herrjottszeijefinger“ – sämtliche katholischen Weihen erhalten. „Ich wollte nie woanders hin“, sagt sie. „Wozu?“ Mehr zohus geht schließlich nicht als mit ihren Klassenkameradinnen im Zockerinnenclub „Kölsche Schocker“ und als „Tanzalix“ im Karnevalsverein „Die Gallier“.

Seit einigen Jahren ist Silke Bierger außerdem Bedienung im „Alt Buchheim“ genau wie ihre Kollegin Ute „Verleihtnix“ Behrend. Der Eckladen mit der geräumigen Außenterrasse ist die zweite verbliebene klassisch-kölsche Kneipe neben dem Herler Eck. Mit türkischem Supermarkt, Metzger, Kiosk und Imbiss bilden die beiden Einkehrinstitutionen entlang der Herler Straße eine Art Ortszentrum.

„Das ist hier definitiv unsere City“, bestätigt Wirtin Britta Issiz. „Es gibt keine andere, außer vielleicht das Plätzchen Ecke Frankfurter Straße zur Alten Wipperfürther Straße. Da stand eine Bank rund um einen großen Baum, die immer gern genutzt wurde. Aber sie wurde entfernt mit der Begründung, da säßen nur Penner.“ Günther Pröhl hat dafür kein Verständnis: „Mit dem Argument kann man nirgendwo in Köln eine Bank aufstellen.“

Die Pläne, das Areal um das „Alt Buchheim” im Zuge des „Starke Veedel“-Programms zu einem echten Platz aufzuwerten, waren weit gediehen. Unter reger Bürgerbeteiligung hatten Politik und Verwaltung eine neue Pflasterung, veränderte Verkehrsführung und Tempo 30 beschlossen. „Dann war plötzlich das Geld aus“, berichtet Issiz. Doch das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. „Die Stadt will wieder was machen. Aber sie haben die Pläne verändert. Das gefällt uns nicht.“

Dafür, dass möglichst nichts gegen den Willen der Einheimischen passiert, sorgt der Runde Tisch des Heimatvereins, der Anwohner, Politiker und Institutionen zweimal im Jahr zusammenbringt. „Der Zusammenhalt ist groß bei uns!“, brummt Britta Issiz und ballt die Faust. Die Stadtplaner sollten sich warm anziehen bei gallischen Buchheimern.

Text: Sebastian Züger