Vieles lässt sich sagen über Ehrenfeld: Dass hier Tag und Nacht das Leben pulsiert, dass auf seinen gerade mal 3,7 Quadratkilometern die ganze Welt zusammen kommt, dass sich die kölsche Seele wohl nirgendwo sonst so bunt entfaltet wie hier zwischen den alten Industriefassaden, dass also in diesem Mikrokosmos all das am lebenden Objekt zu beobachten ist, was in Meckpom allenfalls in der Zeitung steht: Integrationsbemühen, Babyboom und Wohnungsnot, Flüchtlingschaos und Willkommenskultur. Nur eins, eins lässt sich wirklich nicht behaupten: Dass Ehrenfeld besonders schön sei.
Außer vielleicht, wenn die Sonne scheint wie in diesen kaum enden wollenden Spätsommertagen des Jahres 2016. Die Lichtstrahlen schlüpfen bis unters niedrige Dach der „Schule für asiatische Kampfkunst“, in der uns Stefan Winges erwartet. Der „Ehrenfeld-Blues“, wie der ausgezeichnete Krimiautor seinen im November 2016 erschienenen siebten Roman betitelt hat, macht heute Pause. Mitte der 80er Jahre kam der gebürtige Mönchengladbacher aus Bonn: „Ich wollte mal in einer richtigen Großstadt wohnen.“ Sein Kampfsportverein zog kurz darauf hinterher, und so findet Winges seither zwischen Stamm- und Vogelsanger Straße alles, was er braucht: seinen Sport, sein Umfeld, seinen Schreibtisch und dazu Kultur, Unterhaltung und Inspiration. Ehrenfeld biete bei aller Enge Raum für „spinnerte Leute“, sagt Winges, solche, „die nicht in die Südstadt passen“. Ein echter Ehrenfelder sollte imstande sein, das als Kompliment zu begreifen.