Kalk verändert sich. Schon seit einigen Jahren kehrt das Veedel den alten Industriemuff vor die Tür und stellt sich quadratisch, praktisch und bunt neu auf. Quadratisch, weil das nun einmal der Stil ist, in dem man gegenwärtig Häuser baut – ob als Polizeipräsidium, Verwaltungszentrale, Einkaufsmall oder Wohngebäude. Praktisch, weil in Kalk die Wege kurz sind; links, rechts und unter der Hauptstraße gibt es so ziemlich alles, was ein Großstädter zum Leben, Fortkommen und Genießen braucht – seit kurzem auch wieder ein Lichtspielhaus. Und bunt, klar, bunt ist Kalk, seitdem Ende des Zweiten Weltkriegs, der von der Bausubstanz gerade einmal zehn Prozent übriggelassen hatte, der erste Gastarbeiter bei Klöckner-Humboldt-Deutz anfing. Heute verfügen mehr als 70 Prozent der knapp 25.000 Kalker über einen Migrationshintergrund; mit einer ähnlichen Quote kann in Köln sonst allenfalls Chorweiler dienen.
Kalk, ein Schmelztiegel der Kulturen? Die nächste große Story in der Hype-Maschine, nachdem Ehrenfeld, Nippes und die Südstadt als gewissenhaft durchgentrifiziert gelten dürfen? Warum nicht, könnte man meinen, wenn man sich mit Jennifer Schlieper unterhält, die gemeinsam mit Felix Seifert die Ende 2017 eröffneten Lichtspiele Kalk betreibt. „In unserer Nachbarschaft gibt es genügend Kreative, Studenten und junge Familien“, sagt sie – jenes Publikum also, das nicht nur das Vergnügen eines Kinobesuchs zu schätzen weiß, sondern als Grundvoraussetzung für die Attraktivitätssteigerung eines Viertels gilt. „Die meisten unserer Besucher sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, also jünger als die Gäste in den anderen Kölner Kinos“, sagt Schlieper. Jeden Morgen fährt sie mit dem Fahrrad über den Rhein zur Arbeit und freut sich „auf die Offenheit der Menschen in Kalk; besonders die Kinder wirken auf mich viel selbstständiger und selbstbewusster als in meinem privaten Umfeld im Linksrheinischen.“ Kürzlich fragte sie ein Steppke an der Popcorn-Maschine, ob sie hier angestellt sei. Nein, antwortete Schlieper, das sei ihr Kino. Für den Kleinen eine erstaunliche Erkenntnis: „Ich dachte, Chefs arbeiten nicht.“