In dieser Rubrik betrachten wir das Leben und Wohnen in Köln. Müngersdorf ist einer der deutschlandweit bekanntesten Kölner Stadtteile. Grund dafür ist der seit 1923 hier ansässige Sportpark. Dessen bekanntestes Ensemble-Mitglied ist das heutige Rheinenergie-Stadion, in dem der 1. FC Köln seine Heimspiele austrägt. Weit weniger bekannt hingegen ist das schnuckelige, fast dörfliche Flair Müngersdorfs jenseits der Leistungssportanlagen.
Dem äußeren Eindruck nach müssen die 8.557 Müngersdorfer (Stand 2015) allesamt gut zu Fuß, gut ernährt, mithin also bestens trainiert sein. Kein anderes Kölner Veedel steht derart für körperliche Ertüchtigung wie die gut fünf Quadratkilometer im Westen der Stadt. So ziemlich jeder, der es in der Welt des Sports in Köln und darüber hinaus zu etwas gebracht hat, hat oder hatte was in und mit Müngersdorf zu tun: für den ruhmreichen 1. FC Köln die Fußballstiefel geschnürt, beim Tennis- und Hockeyclub die Kelle geschwungen, beim ASV leichtathletische Olympiareife oder an der Sporthochschule akademische Weihen erlangt.
Dafür, dass auch die Sportanlagen topfit sind, sorgen zahllose gute Geister zwischen Junkersdorfer und Aachener Straße. Einer von ihnen ist Christoph Seiler, der „Prokurist/Leiter Gebäudemanagement“ auf seiner Visitenkarte stehen, aber nichts dagegen hat, „Greenkeeper“ genannt zu werden. Mit zweimal in der Woche Rasenmähen hat seine Arbeit allerdings wenig zu tun. So ein Stadiongrün von heute ist ein hochsensibler, auf Höchstleistung getrimmter Organismus, der mindestens einmal die Woche zuverlässig den Zweck erfüllen muss, 90 Minuten lang 44 Stollenschuhen standzuhalten – und das selbst bei widrigsten Bedingungen.
Widrig – das sind die Bedingungen in den schönen neuen Fußballstadien, die aus Anlass der Fußball-WM 2006 fast überall in Deutschland die alten, Betonschüsseln mit Tartanbahn abgelöst haben, eigentlich immer. Die enge RheinEnergie-Arena, die dem weitläufigen Müngersdorfer Stadion folgte, bietet mit ihren vergleichsweise hoch aufragenden Rängen der Sonne wenig Gelegenheit, das Grün ausreichend zu bescheinen. Seiler wirft vom Fenster seines Büros, das zum Stadioninnenraum zeigt, einen prüfenden Blick auf den Rasen, der den Versuchen des Effzeh, doch noch die Erste Liga zu halten, als Grundlage dienen soll. „Das ist Kunstlicht mit einem hohen Rotanteil“, erklärt er in seinem eiflerisch gefärbten Kölsch und zeigt auf die mächtigen Lampen, die wie Riesenschnaken auf dem Feld stehen. „Dieses Licht fördert das Wachstum und die Regeneration, die jetzt im Winter von Natur aus zum Erliegen kommen.“
Solche Probleme haben sie ein paar Straßen weiter nicht, denn das „Krein Energie Stadion“ kommt ganz ohne Rasen aus. Seit 2007 schmeißt das Ehepaar Martina und Torsten Krein den schon seit 1924 existierenden Laden an der Vitalisstraße, der ganz dem Effzeh und seinen Fans gewidmet ist. „Wir sind keine Veedelskneipe“, stellt Torsten Krein klar. „Abends haben wir zu. Wir öffnen nur zum Mittagstisch. Und wenn der Effzeh spielt.“ Rund 200 Besucher, so schätzt er, fiebern bei jedem Spiel vor der liebevoll selbst gebastelten Anzeigetafel, die jedes Tor und jede Auswechslung fein säuberlich von Hand dokumentiert, mit. Und es macht erfahrungsgemäß wenig Unterschied, ob der Club gerade in der Ersten oder Zweiten Bundesliga kickt. Krein: „FC-Fans sind treu.“
Treu wie Habano und Orpheus, die stattlichen Pferde von Petra Naß und Yvette Weiermann-Dreesen, Vereinsvorsitzende und Beirätin im 1880 gegründeten Kölner Reit- und Fahrverein, der seit 1967 an der Aachener Straße 800 seinen Sitz und nach hinten raus direkten Anschluss an das erstaunlich weitläufige Reitwegenetz Kölns hat. „Sie können zu Pferde fast vier Stunden unterwegs sein“, sagt Weiermann-Dreesen, und Naß ergänzt stolz: „So stadtnah und gut erschlossen liegt kein anderer der rund 20 Kölner Reitvereine.“
Viele Jugendliche, ganz dem Klischee entsprechend überwiegend Mädchen, nutzen die 2013 eröffnete Reitschule, in der gegenwärtig 13 Schulpferde („Schulis“) bereitstehen. „Seit wir die Reitschule wieder haben, haben wir immer Nachwuchs“, sagt Naß. So einen Ausritt durchs Nordfeld müssten eigentlich auch Natur liebende Jungs gut finden, aber die Konkurrenz, sich körperlich zu betätigen, ist wohl nirgendwo in Köln so groß wie in Müngersdorf. Und für so manchen tut’s auf dem Rückweg zurück in die Innenstadt auch ein kleiner Ritt auf dem Drahtesel durchs alte Müngersdorf, dessen engen Gassen und niedlichen Fassaden die Lage im Schatten des großen Sports offenbar gut bekommen.
Text: Sebastian Züger