Tatsächlich hat Zollstock mehr zu bieten als der etwas schmucklose, da arg pragmatisch gestaltete Höninger Weg auf den ersten Blick offenbart. Von Nord nach Süd, vom Volksgarten bis hinunter zum Südfriedhof, über die Haltestellen Herthastraße, Gottesweg und Zollstockgürtel der Stadtbahnlinie 12 zieht sich die Hauptverkehrsader des Stadtteils. Links und rechts der Straße bilden Supermarkt- und Bäckerei-Filialen, Klamottendiscounter, Imbisse und die heutzutage offenbar unvermeidlichen Handy-, Optik-, Hörgeräte- und Wett-Franchisen den gegenwärtig für Innenstadt-nahe Veedel typischen Angebotsmix. Dazwischen, wie Inseln im Meer der Filialisten, die Einzelhändler, die bis heute durchgehalten haben: das Sanitätshaus Callies beispielsweise, die Buchhandlung Weyer oder „Blumen Moskopp“ .
Eine dieser Inseln ist der „Wolladen Ziebeil“, den Marga Knott vor neun Jahren übernommen hat und nun abgibt: „Ich gehe in Rente. Ich freu mich – endlich komm ich mal wieder dazu, selbst was zu stricken!“ Ihr Laden ist ein brummendes Beispiel dafür, dass auch in diesen amazonischen Zeiten Einzelhandel vor Ort funktionieren kann. „Hier muss man nicht viel ändern“, glaubt Knott, „die Kunden kommen ja. Im Internet kann man die Wolle nicht anfassen, bevor man sie kauft.”
Verena Beith, ihre Nachfolgerin, gibt ihr grundsätzlich Recht, ein paar Ideen aber hat sie doch – zum Beispiel für ein neues Ladenschild: Südstadt-Wolle soll das Geschäft künftig heißen. Stricken und Häkeln liegen im Trend wie seit Jahrzehnten nicht mehr, Beith will ihn unter anderem mit Strickcafés bedienen. „Früher war Handarbeit eine einsame Tätigkeit, heute kommen die Leute an Orten wie diesem zusammen und machen das gemeinsam.” Ihr Wollgeschäft soll ein Beitrag zur Vielfalt des Zollstocker Einzelhandel sein, denn: „Niemand braucht 27 Wettbüros und 18 Nagelstudios.“