Historisches Foto von Kindern zwischen Häusern in der Kölner Innenstadt
Foto: unbekannt

Die GAG und die Stadt der Siedlungen

In dieser Rubrik nehmen wir Sie mit auf Zeitreise und erkunden gemeinsam die GAG-Historie. Diesmal erfahren wir mehr über die Gründung der GAG, die heute Kölns größte Vermieterin ist.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts explodierte Köln. Die über Jahrhunderte durch die Stadtmauer entlang der heutigen Ringe gefesselte und mittelalterlich geprägte Stadt erfuhr in nur wenigen Jahrzehnten ein bis dato unbekanntes Wachstum. Durch die Schleifung der alten Stadtmauer und durch die Eingemeindung zahlreicher benachbarter Städte und Gemeinden vergrößerte sich das Stadtgebiet bis 1914 um mehr als 20.000 Hektar. Dringend benötigter Platz für die im Zuge der Industrialisierung aufstrebenden Unternehmen mit ihren riesigen Fabrikanlagen, für Handel, Handwerk und das in Köln traditionell starke Bürgertum.

Bauen für die Masse

Immer mehr Menschen kamen auf der Suche nach Arbeit in die Metropole am Rhein, und immer schwieriger wurde es, diesen Menschen Wohnraum zu bieten. Die so ge-nannten „Mietskasernen“ wurden zu einem prägenden Bild dieser Zeit. Bis zu sieben Geschosse hoch und eng nebeneinander errichtet, ermöglichten sie nur unsoziale und unhygienische Wohnverhältnisse. Oft lebten mehrere Familien mit bis zu 16 Personen in einer Wohnung, es gab nur eine Toilette für mehrere Wohnungen und nur eine Wasser-zapfstelle auf dem Flur.

Ungehemmt durch baurechtliche Vorgaben wurden Teile der Alt- und der Neustadt zugebaut und hatten den Charakter von Slums mit hohen Sterblichkeitsraten. 1914 waren circa 25 Prozent aller Kölner Wohngebäude Mietskasernen, in denen etwa die Hälfte der Bevölkerung lebte.

Anders als in Berlin und anderen Städten gab es aber in Köln kaum große, institutionelle Vermieter. Die Mehrzahl der Eigentümer kam aus dem Kleinbürgertum und besaß meist nur ein Haus. Nur wenige hatten mehrere Mietshäuser. Politisch waren diese kleinbürgerlichen Hausbesitzer im Rat der Stadt stark vertreten. Der Wohnungsmarkt war strukturell überfordert, konnte nicht genügend Kapital sammeln und war nicht in der Lage, die weiter steigende Nachfrage auch nur annähernd zu befriedigen.

Schon gewusst? 

Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern gelten als Großstädte. Mit rund 100.000 Mieterinnen und Mietern in annähernd 45.000 Wohnungen ist die GAG somit eine Großstadt – und das in der Großstadt Köln. Statistisch gesehen wohnt heute jeder zehnte Kölner bei der GAG.

Genossenschaften ohne ausreichend Kapital

Eine Antwort auf die schlechten und beengten Wohnverhältnisse waren die Baugenossenschaften, von denen zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl gegründet wurde. Darin fanden sich Arbeiter und andere Personen mit eher niedrigen Einkommen wie Handwerker, Gewerbetreibende oder untere Beamte zusammen.

In Köln hatte sich die Genossenschaftsbewegung aus der katholischen Soziallehre und der katholischen Arbeiterbewegung entwickelt. Unterstützt wurden die Genossenschaftsgründungen von philanthropischen Kreisen des Kölner Bürgertums aus Handel und Industrie, und in vielen Fällen war die katholisches Kirche Mitinitiator.

Es zeigte sich jedoch sehr schnell, dass die grassierende Wohnungsnot durch die Neu-bauten der Kölner Genossenschaften nicht gemildert oder sogar beseitigt werden konnte. Dafür war die Finanzkraft dieser Vereinigungen einfach zu gering.

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Die Gründung der GAG

Ein Zusammenschluss von vier Baugenossenschaften zu einem starken Verbund war im Gespräch, kam aber nicht voran. In Köln wählte man daher einen anderen Weg, der die Vorteile genossenschaftlicher Selbstverwaltung mit der Kapitalsicherheit einer Aktiengesellschaft verbinden sollte. Für den Grunderwerb und den Wohnungsbau plante man die Gründung einer Aktiengesellschaft, während die Wohnungsverwaltung von einer Genossenschaft übernommen werden sollte, die von der Aktiengesellschaft die Häuser kaufen oder mieten sollte.

Ähnliche Gedanken hatte es bereits in Berlin und anderen deutschen Städten gegeben, jedoch waren sie nie zum Tragen gekommen. So blieb es Köln vorbehalten, dieses Modell erstmals praktisch und erfolgreich umzusetzen. Treibende Kraft für die Schaffung dieses Verbundwesens war der damalige Beigeordnete und spätere Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer. In dem Abgeordneten Wilhelm Greven fand er einen „Multifunktionär“, der seine sozial- und wohnpolitischen Vorstellungen umsetzte.

Am 18. März 1913 wurde die „Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Wohnungsbau, GAG“ gegründet. Erster Vorstand war Wilhelm Greven. Laut Satzung sollte das neue Unternehmen „der minderbemittelten Bevölkerung gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen billig und preiswert verschaffen“. Das Aktienkapital in Höhe von 1,22 Millionen Reichsmark steuerten etwa zur Hälfte wohlhabende Kölner Privatpersonen wie Guilleaume, Lindgens, Neven DuMont oder Cassel und Unternehmen sowie einzelne Genossenschaften bei. Die Stadt übernahm für 600.000 Reichsmark Stammaktien.

Damit begann eine Entwicklung, die 100 Jahre lang einen quantitativ und qualitativ hohen Standard im Siedlungsbau der Stadt Köln bestimmte. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die 1937 gegründete „Grund und Boden“ kurz „GRUBO“. Die Entwicklung Kölns zur modernen Großstadt wurde in wesentlichen Teilen durch den Bau von Siedlungen dieser Immobilienunternehmen vorangetrieben.

Text: Jörg Fleischer