Wer konnte, wurde zum Wiederaufbau abkommandiert. Auch die junge Anneliese wurde zur Trümmerfrau. „Auf dem Trümmerberg stehend, wurden die Steine der zerstörten Häuser in Eimer gefüllt. Dann gab man die Eimer von Hand zu Hand weiter bis unten auf die Straße. Dort stand die Lore, die kleine Eisenbahn mit Lokomotive, welche die Steine bis zu den Abladestellen beförderte“, erinnert sie: „Die Lore gehörte jahrelang zum Stadtbild von Köln.“ Nicht nur körperlich war die Arbeit der Trümmerfrauen hart, verraten ihre Schilderungen: „Wenn man dort steht, denkt man: Das ist ein Stück von uns! Zu wessen Haus gehörte dieser Stein? Wo ist derjenige?“
Enttäuschungen gehörten zum Alltag in dieser Atmosphäre, in der jedem alles fehlte und jeder alles brauchen konnte. So wurde vom Balkon der Familie Diederich, die im Hochparterre lebte, auch eine Birkenholz-Platte geklaut, die Annelieses Vater aus Russland mitgebracht hatte, und auf der geschrieben stand: „Meinem Mädel zum 14. Geburtstag.“ Schöner sind da die Erinnerungen an die Seligmachungen des Schwarzmarktes, beschreibt unsere Mieterin: „Ich habe immer darauf gewartet, dass die Oma sagte: ‚Hol ein Lot Kaffee!‘ Das reichte für ein, zwei Tassen. Ich wusste, ich bekomme auch einen Schluck ab. Damals merkte ich: Kaffee ist lecker – und belebt, wenn man hungrig ist!“
Die Not, Hunger und Lebensmittelmarken prägten den Alltag der Nachkriegsjahre: „Wenn man beim Bäcker ein Brot kaufte, konnte es vorkommen, dass Borsten darin waren. Dann wusste man: Der Bäcker hatte dafür die letzten Reste Mehl zusammengefegt.“ Im Herbst sammelte sie mit ihrer Mutter Bucheckern im Königsforst. Fünf Pfund der kleinen Nüsse konnte man bei den amerikanischen Besatzern gegen zwei Pfund Margarine eintauschen. Statt Gemüse gab es Raps und Trümmermelde, ein Unkraut.
Auch beim legendären „Fringsen“ war sie dabei: „Wenn die Züge, beladen mit Briketts, in den Kalker Bahnhof einfuhren, warteten wir auf den Moment, wo sie stillstanden. Dann kletterten wir auf die Waggons und warfen in Eile Briketts herunter. Andere, die schon warteten, sammelten sie in Säcke ein. Wir sprangen schnell wieder vom Zug, der dann weiterfuhr.“ Einmal erlebte sie auch, wie der Vater von zwei Freunden aus dem evangelischen Jugendkreis auf diese Weise verunfallte und ums Leben kam: „Das war bitter und schlimm!“