Historisches Foto der Siedlung Bickendorf I in Bickendorf
Foto: Hugo Schmölz

Architektur für die Menschen

In dieser Rubrik nehmen wir Sie mit auf Zeitreise und erkunden gemeinsam die GAG-Historie. Diesmal blicken wir auf den Kölner Architekten Wilhelm Riphahn zurück und betrachten sein Leben und seine Werke.

Wilhelm Riphahn wurde am 25. Juli 1889 in Köln geboren. Sein Name ist mit der Kölner Stadtgeschichte fest verankert. In seine 75 Lebensjahre fallen beide Weltkriege, das Kaiserreich, die Weimarer Republik, der Nationalsozialismus und die Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

Ähnlich vielschichtig waren auch die Kapitel seines persönlichen Lebens und Wirkens. Besonders interessant für die Kölner Stadtentwicklungsgeschichte ist zum einen die Zeit vor 1933, als mit Riphahns großen Siedlungen ganze Stadtteile neu entstanden, zum anderen der Wiederaufbau in den 1950er und 1960er Jahren. Ihm verdanken wir unter anderem, dass der soziale Wohnungsbau in Köln zu Beginn des 20. Jahrhunderts wesentlich von Ideen der Bauhaus-Strömung geprägt wurde.

Riphahn war in Köln fest verwurzelt

Zu den bedeutenden Bauwerken von Riphahn gehören die Oper, der Ufa-Filmpalast und die Bastei. Aber auch eine große Anzahl von Wohnsiedlungen im links- und rechtsrheinischen Köln gehen auf ihn zurück. Das kommt nicht von ungefähr. Riphahn entstammte einer traditionellen Familie Kölner Architekten und Bauunternehmer. Dadurch war er bereits zu Beginn seiner Berufstätigkeit in der Stadt gut vernetzt und hatte die Gelegenheit, in große Projekte mit einzusteigen.

Doch auch später, als er sich bereits mit vielen Entwürfen selbst einen Namen gemacht hatte, verließ er Köln nicht. Während andere Architekten seines Kalibers national oder gar international Karriere machten, blieb Riphahn in Köln.

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Er startete seine Karriere in turbulenten Zeiten

In seinen ersten Berufsjahren war Riphahn mit Herausforderungen konfrontiert, vor denen wir auch heute wieder stehen. Wohnraum wurde gebraucht: viel, schnell – und, bitte, erschwinglich. Es war die Zeit der Urbanisierung nach der industriellen Revolution: Menschen zogen vom Land in die Stadt, um hier in großen Fabriken Arbeit zu finden.

Neu war damals ein Gedanke, der uns heute ganz selbstverständlich erscheint: Sozialer Frieden hat viel damit zu tun, ob Menschen auch in bescheidenen Verhältnissen gut und menschenwürdig leben.

Den Auftakt seines Wirkens im Kölner Siedlungsbau bildet die Mitarbeit an unserer Siedlung „Bickendorf I“ ab 1913, wobei diese noch nicht auf seine eigenen Entwürfe zurückgeht. Riphahn trat hier als Partner des Architekten Caspar Maria Grod auf.

Infos im Überblick:

  • Geburtstag: 25. Juli 1889
  • Geburtsort: Köln
  • Erste erbaute Siedlung: Bickendorf I
  • Berühmteste Werke: Kölner Oper, der Ufa-Filmpalast und die Bastei
  • Baustil: Anhänger der Bauhaus-Schule
  • Persönlichkeit: Bescheidener Macher, der an seine Ideen glaubte und den Menschen bei seinen Arbeiten stets im Blick hatte

Den Menschen hatte er immer im Fokus

Mit seinen weiteren Arbeiten widmete Riphahn sich intensiv dem sozialen Wohnungsbau: Als einer der ersten setzte er auf eine Architektur, bei der große Wohnblöcke nicht länger an Kasernen erinnerten. Er verband Funktionalität und Wirtschaftlichkeit mit Ästhetik.

„Riphahn scheute sich vor Architektur, in der Menschen wie in Schließfächern eingesperrt waren“, beschreibt André Dumont, der sich als Geograph mit Schwerpunkt Städtebau und Städtebaugeschichte intensiv mit Riphahns Siedlungen beschäftigt hat. Die Bewohner seiner Siedlungen sollten sich frei fühlen. „Lich, Luff und Bäumcher“ war das kölsch formulierte Motto. Auf Hochdeutsch: „Licht, Luft und Bäume“. Riphahn hat diese Idee von den Architekten Caspar Maria Grod und Leo Kaminski übernommen, die den Wettbewerb um Bickendorf I mit einem Entwurf gewannen, der unter diesem Motto stand. Die Idee fiel bei uns auf fruchtbaren Boden, weshalb viele nachfolgende Siedlungen ebenfalls unter diesem Motto geplant und errichtet wurden.

Riphahn konzipierte seine Siedlungen also mit begrünten, großzügigen Innenhöfen, in denen die Menschen sich aufhalten oder auch ihre Wäsche zum Trocknen aufhängen konnten. In einer Zeit, in der viele Arbeiterwohnungen feucht rochen, weil es üblich war, die nasse, nur von Hand ausgewrungene Wäsche an einer Leine über dem Herd zu trocknen, bedeutete das eine deutliche Verbesserung der Wohnqualität.

Viele der Riphahn-Siedlungen entstanden als ganz neue Stadtviertel auf dem freien Feld. Alles, was die Menschen im Alltag brauchten, berücksichtigte er in seinen Entwürfen, plante Spielplätze mit ein, Kaufläden und Kirchen. Zahlreiche Siedlungen wurden in unserem Auftrag gebaut und gehören bis heute zu unserem Bestand. In Bickendorf, Zollstock, Mauenheim und Buchforst sind ganze Straßenzüge von Riphahns Entwürfen geprägt.

Mieter treffen sich im Hof der Siedlung Blauer Hof in Buchforst
Foto: Patrick Essex
Junge Mieterin steht im Eingang des Blauen Hofs
Foto: Patrick Essex
Spielplatz im Innenhof des Pohligblocks in Zollstock
Foto: Patrick Essex
Viele Fenster mit Oberlichtern in der Rosenhofsiedlung in Bickendorf
Foto: Patrick Essex

Riphahn war ein bescheidener Macher

„Riphahn war in mancher Hinsicht ein bescheidener Mann, der sich nicht in den Vordergrund gespielt hat. Einige seiner Arbeiten sind in ihrer Qualität sicher mit denen von Walter Gropius zu vergleichen. Trotzdem ist er weniger bekannt, weil er sich nicht so wichtig genommen hat“, schildert Dumont.

Anders als viele seiner Kollegen, blieb Riphahn immer ein Praktiker, statt zum Beispiel als Dozent an eine Hochschule zu gehen. Kunsthistoriker Wolfram Hagspiel vermutet, seine Wortkargheit und seine ausschließliche Hands-On-Mentalität seien wohl die wesentlichen Gründe dafür, dass Riphahn nicht sehr viel bekannter wurde.

Der Kölner Architekt war ein Macher ohne viele Worte. Ein Zeitgenosse vermutete, er sei unter den Architekten „derjenige, der am meisten gebaut und am wenigsten gesprochen hat.“ Selbst als er 1931 den Ufa-Palast als eines der damals größten und modernsten Kinos Europas entworfen hatte, soll er eine kurze Rede bei dessen Eröffnung abgebrochen haben mit den Worten: „Ich kann über meinen Kram nichts sagen, seht ihn euch selber an.“

Von seinen Ideen war Wilhelm Riphahn überzeugt

Riphahn sei aber auch ein Kopf gewesen, der an seinen Ideen nicht gerne rütteln ließ, beschreibt Dumont: „Er war überzeugt von seinen Planungen und ließ sich nicht hineinreden. Ein Beispiel dafür sind die kleinen, unterteilten Fenster seiner Siedlungsbauten, die mit Oberlichtern versehen waren.“ Die Idee dieser Fensterkonstruktion war es, den Mietern zu ermöglichen, mit den Oberlichtern zu lüften, ohne im Durchzug zu sitzen. Das funktionierte zwar, ignorierte aber den Wunsch der Mieter nach großen Fenstern.

Doch auch, wenn hier und da die Entscheidung für funktionale Lösungen nicht mit den Prioritäten der Bewohner übereinstimmte: Im Großen und Ganzen war es doch gerade das Wohlgefühl der Menschen, das Riphahn im Blick hatte.

Während des Zweiten Weltkrieges war er weniger gefragt

In den Jahren 1933 bis 1945 waren die Möglichkeiten für Architekten begrenzt durch die Ideologie des Nazi-Regimes. So waren unter anderem eben gerade die spielerischen Elemente des „Neuen Bauens“ mit ihren menschenfreundlichen, individualistischen Anklängen nicht mehr gewünscht.

Hinzu kam, neben stilistischen Fragen, dass für Architekten ebenso wie für alle anderen Berufsgruppen galt: Die Vergabe größerer Aufträge war abhängig von Linientreue und Parteizugehörigkeit. Riphahn, der ein Gegner des Nationalsozialismus war, wurde zwar Mitglied der Reichskulturkammer, lehnte es jedoch konsequent ab, in die NSDAP einzutreten. Infolgedessen blieb es ihm mehrere Jahre lang verwehrt, an größeren Bauprojekten mitzuwirken, bis sich 1938 der Architekt Clemens Klotz für ihn einsetzte, der Kontakte in höchste Nazi-Kreise hatte. Riphahn erhielt daraufhin erneut umfangreichere Aufträge, auch von uns. Er erreichte zunächst jedoch nicht wieder die Bedeutung, die er zwischen 1913 und 1933 gehabt hatte.

Um sich und seine Familie vor der Bombardierung Kölns in Sicherheit zu bringen, aber auch, um seine Frau, die jüdischer Abstammung war, dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entziehen, verbrachte Riphahn mit seiner Familie die Jahre zwischen 1942 und 1945 im Bergischen Land. Hier begann der Architekt bereits, sich gedanklich mit dem Wiederaufbau Kölns nach dem Krieg zu befassen.

Nach dem Krieg baute Riphahn Köln wieder auf

Als Köln nach dem Zweiten Weltkrieg zu großen Teilen zerstört war, wurde es nach Plänen erneut aufgebaut, an denen Riphahn maßgeblich beteiligt war. Dabei blieb er seinem Grundsatz treu, den Kölnern ein Umfeld zu erschaffen, in dem sie sich wohlfühlen konnten. Ein schönes Beispiel dafür ist die Hahnenstraße, die die Nazis als Ost-West-Achse für Aufmärsche angelegt hatten. Riphahn verwandelte sie in eine Geschäftsstraße, die wegen der vergleichsweise flachen Häuser viel Licht in die Straße lässt und mit Cafés, Restaurants und Geschäften den Menschen bietet, was man im täglichen Leben sucht. Eben Licht, Luft und Bäume.

Text: Johanna Tüntsch