In dieser Rubrik nehmen wir Sie mit auf Zeitreise und erkunden gemeinsam die GAG-Historie. Diesmal erklärt uns Historiker André Dumont die Idee der Gartenstadt, die den Siedlungsbau der Vergangenheit prägte.
André Dumont hat seine Diplomarbeit am Geographischen Institut der Universität zu Köln im Jahr 1994 zum Thema „Die Gartenstadtidee für Köln. Ein Siedlungsbau für mittlere und untere Bevölkerungsschichten?“ geschrieben und weiß daher, warum diese Idee Vorbild für einige unserer Siedlungen war. Unsere Geschichte beginnt jedoch nicht in Köln, sondern in Großbritannien: Die Gartenstadt ist ein Stadtentwicklungsmodell des Briten Ebenezer Howard aus dem Jahr 1898, das als Reaktion auf die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse in Großstädten entstand. Es war ein Gegenentwurf zu Industriestädten wie Manchester. Die Gartenstädte sollten im Umland großer Städte auf Agrarland neu gegründet werden und den Menschen die Möglichkeit geben, frische Luft zu atmen und sich selbst mit Obst und Gemüse zu versorgen.
Im Jahr 1902 wurde die Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft gegründet. Die Idee wurde hierzulande aber verändert, denn die Gartenstädte wurden eher als Gartensiedlungen geplant. In Anlehnung an Howards Idee definierte die Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft den Namen so: „Man versteht unter einer Gartenstadt nicht eine beliebige Stadt mit ein paar Gärten in ihren Mauern, sondern eine planmäßig gestaltete Siedlung auf wohlfeilem Gelände.“ Wohfeil meint hier kostengünstig. Laut Dumont schließt diese Definition auch die in Deutschland synonym verwendete Bezeichnung „Gartenvorstadt“ mit ein. Was die deutsche von der englischen Idee unterscheidet, ist das Fehlen von Industriebetrieben, die in England dazugehörten.
Die Idee der Gartenstadt fand in Deutschland großen Gefallen, da die Menschen raus wollten aus den miefigen, engen Städten. Es gab eine regelrechte Stadtflucht, wie Dumont sagt. Viele lebten damals mit der ganzen Familie in viel zu kleinen Wohnungen, die oft nur ein beheizbares Zimmer hatten. Manche hausten sogar in Kellerwohnungen. Das fehlende Licht, die mangelnde Hygiene und die Enge ließen die Menschen krank werden, die Kindersterblichkeit war hoch.
Die erste Gartenstadt Deutschlands wurde jedoch nicht in Köln gebaut, sondern entstand ab 1907 in Hellerau, im Norden Dresdens. 2.000 Menschen fanden hier ihr Zuhause – in einem offenen, durchgrünten Gelände. Hellerau sollte als Kleinstadt im Grünen eigentlich eine ganz gemischte Bewohnerschaft haben: Arbeiter, Bürgerliche und Unternehmer. „Leider ging die Idee nicht ganz auf, da für Arbeiter die Wohnungen schlicht zu teuer waren“, sagt Dumont.
Wir schrieben im Jahr ihrer Gründung 1913 einen Architekten-Wettbewerb für eine elf Hektar große Siedlung mit 600 kleinen Wohnungen in Köln-Bickendorf aus. Die Architekten Caspar Grod, Lothar Kaminski und Wilhelm Riphahn gewannen den ersten Preis. Sie hatten ihren Entwurf mit dem Motto „Lich, Luff un Bäumcher“ betitelt, also Licht, Luft und Bäume, und knüpften damit an die Idee der Gartenstadt an. Ihr Motto zog sich fortan durch einen Großteil unseres sozialen Wohnungsbaus in Köln.
Der Erste Weltkrieg verzögerte die Fertigstellung der ab 1914 gebauten „Kleinwohnungs-Kolonie Bickendorf“ – heute Bickendorf I genannt. Auch die Pläne für weitere Gartensiedlungen von uns lagen zunächst brach. Fünf Jahre später wurden dann die Siedlungen in Mauenheim, Höhenberg, Poll und Holweide gebaut. Typisch für diese Gartensiedlungen sind die Gärten hinter vielen Häusern, in denen es genug Platz gab, um Obst und Gemüse anzubauen und sogar Kleinvieh halten zu können zur Selbstversorgung. Charakteristisch sind auch hübsche Plätze, die sich immer wieder zwischen den Gebäuden finden, und eine optimale Ausrichtung der Gebäude zum Sonnenlicht. So bekamen die Bewohner auch in den dunklen Monaten des Jahres genug Licht ab.
„Die GAG erfüllte nicht nur die an sie gestellten Erwartungen einer großflächigen Erschließung von Siedlungsbaugebieten und der Wohnreform durch eine Orientierung an der Gartenstadt“, sagt Dumont. „Sie realisierte auch die von Ebenezer Howard befürwortete Selbstverwaltung der Bewohner, indem sie die Gründung von Verwaltungsgenossenschaften in den einzelnen Siedlungen anregte.“
Die Recherche der historischen Fotos konnte mit freundlicher Unterstützung der SK Stiftung Kultur umgesetzt werden.
Text: Maria Hauser