Der Efeuplatz als Treffpunkt für Alt und Jung in der Siedlung

Kölns romantisches Fischerdorf

In dieser Rubrik nehmen wir Sie mit auf Zeitreise und erkunden gemeinsam die GAG-Historie. Diesmal entdecken wir die Milchmädchensiedlung in Poll.

Baujahr

1919-1924

Architekten

Emil Rudolf Mewes, Adolf Haug und Heinrich Reinhard

Besonderheit

Eine der kleinsten von uns errichteten Siedlungen

Denkmalschutz

Nur die Milchmädchen-Skulptur

Schmucke kleine Häuser, durch die sich schmale Gassen schlängeln, ein Platz zum Treffpunkt für einen Plausch – die Milchmädchensiedlung in Poll wirkt wie ein romantisch-verschlafenes Dorf. Sie entstand zwischen 1919 und 1924 und befindet sich zwischen Rolshover Kirchweg, Allerseelenstraße und An den Maien. Bei der Entstehung der Siedlung spielte der Standortfaktor eine große Rolle – der Deutzer Hafen, das Kalker Industriegebiet, aber auch die größeren Dienststellen der damaligen Reichsbahn und Reichspost waren gut zu erreichen. Die weitläufigen Poller Wiesen waren nur einen Steinwurf entfernt. Damals wurden auf den feuchten Rheinwiesen Milchkühe gehalten. Junge Frauen brachten jeden Tag die Kannen mit der frischen Milch in die Innenstadt, was trotz der Esel, die die Karren zogen, ein echter Knochenjob war. Die Milch wurde auf dem Markt verkauft.

Die Architekten und ihre Ideen

Federführender Architekt der Milchmädchensiedlung war Emil Rudolf Mewes, der vor allem durch Industriebauten bekannt wurde, für uns aber auch die Siedlung Altenberger Kreuz und eine Häuserreihe in der Vorgebirgssiedlung in Zollstock geplant hat. Mitgearbeitet haben seine Kollegen Adolf Haug und Heinrich Reinhard.

Die Siedlung erinnert mit ihren kleinen Einfamilienhäusern, den Sprossenfenstern, den Torbögen, Gauben, Ziergiebeln und schmalen Gässchen an ein dänisches Fischerdorf. Da Poll früher ein Fischerort war, ist diese Assoziation durchaus plausibel. Poll war vor allem für seinen Maifisch bekannt, eine Heringsart, der im Frühjahr zum Laichen größere Flüsse hinaufwandert.

Verpassen Sie keine Neuigkeiten mehr
aus Ihrem Veedel!

Die Infomail von zuhause.

Jetzt anmelden!

Um neue Blickachsen zu schaffen, plante Mewes die Poller Siedlung so, dass Straßeneinmündungen sozusagen abknickten und nicht gerade verliefen. Dass man nicht von einem Gassenbeginn zu dessen Ende schauen kann, machte das Siedlungsbild spannender, außerdem konnte der Wind gut durch die Gassen fegen und so für beste Durchlüftung sorgen. Damals hatte man eine regelrechte Phobie vor den üblen Gerüchen aus dem 19. Jahrhundert, die in den Großstädten zum Alltag gehörten.

Namensgebend ist eine Skulptur auf dem Efeuplatz, die dort 1928 aufgestellt wurde. Sie zeigt ein Poller Milchmädchen im altertümlichen Kleid mit einem Esel und zwei Milchkannen. Ursprünglich war die Skulptur des Poller Milchmädchens als Brunnen geplant.

Viele Straßen der Milchmädchensiedlung sind hingegen nach Pflanzen benannt, die sich auf die Passionsgeschichte von Jesus Christus beziehen. Etwa der Christtannenweg, der Immergrünweg oder der Osterglockenweg. Vermutlich sind die Straßen so genannt worden, weil die Allerseelenstraße von der Siegburger Straße an der Milchmädchensiedlung vorbei zum Deutzer Friedhof am Rolshover Kirchweg führt.

Damals hatten die Wege in der Siedlung Karrenbreite. An einigen Häuserecken sind heute noch die Steine zu sehen, die früher als Schutz angebracht wurden, damit die Räder der Karren nicht gegen die Gebäude stießen.

Die Häuser der Milchmädchensiedlung haben Gärten, die bis zu 130 m² groß waren, damit die Bewohner sich selbst mit Gemüse versorgen konnten. Es gab auch Ställe zur Kleintierhaltung. Damit reiht sich die Milchmädchensiedlung in die Reihe unserer Siedlungen ein, die sich an der Idee der Gartenstadt orientieren.

Mehr über die Idee der Gartenstadt erfahren Sie in unserem Artikel „Von der Gartenstadt zur Gartensiedlung“.

Zum Artikel

Die Bewohner der Milchmädchensiedlung

Insgesamt gab es in der Milchmädchensiedlung mindestens 114 Einfamilienhäuser. Damit ist die Milchmädchensiedlung eine der kleinsten Siedlungen, die von uns errichtet wurden. Die meisten Gebäude waren eingeschossig plus Dachgeschoss. Sie waren als Einfamilienhäuser mit bis zu fünf Zimmern konzipiert. In den 1920er Jahren kam es vor, dass aus Kostengründen zwei Familien darin lebten, weil die Mieter zu Eigentümern geworden waren und einige Zimmer vermieteten, um sich die Ratenzahlungen zu erleichtern. An der Straße An den Maien waren die Gebäude schon damals zweigeschossig.

Die Häuser wurden oft von Arbeitern, Handwerkern, aber auch von einfachen Angestellten bewohnt. Das fand der Geograph und Historiker André Dumont heraus, als er für uns mithilfe von alten Adressbüchern die Sozialstruktur der Siedlung untersuchte. Die Siedlung wurde auch „Schwarze Siedlung“ genannt, bezogen auf die eher konservative Gesinnung ihrer Bewohner.

In der Allerseelenstraße lebte 1925 der Architekt Viktor Giorlani, der in den 1930er Jahren an der Planung des Kölner Eis- und Schwimmstadions beteiligt war. Giorlani zog später in die Siedlung Am Altenberger Kreuz, die Erweiterung der Milchmädchensiedlung. Sein Sohn, er hieß ebenfalls Viktor, gehörte als Stürmer zu den ersten Eishockeyspielern des 1936 gegründeten Kölner Eis-Klub KEK. Später erzählte er, dass er das Schlittschuhlaufen auf den Poller Wiesen gelernt habe.

Wie André Dumont bei seiner Sozialstrukturanalyse vorgegangen ist, erfahren Sie in unserem Artikel „Auf Spurensuche in der Vergangenheit“.

Zum Artikel

Dumont stellte außerdem fest, dass es in den 1920er Jahren wenig Infrastruktur in der Siedlung gab: „Am Immergrünweg war damals ein Lebensmittelgeschäft der Konsumgesellschaft Eintracht, ansonsten gab es in der Siedlung nur eine ambulante Krankenpflege und eine Nähschule. Es gab weder Arztpraxen noch Handwerksbetriebe.“

Der Architekt Mewes plante in den 1920er Jahren als Fortsetzung der Milchmädchensiedlung auch die benachbarte Siedlung Altenberger Kreuz. Hier gab es einige Geschäfte, in denen sich auch die Bewohner der Milchmädchensiedlung mit Lebensmitteln versorgen konnten.

Was von der Vergangenheit bleibt

Die Architektur der Siedlung hat sich stark verändert. In den 1950er Jahren wurden etliche Häuser aufgestockt. Die Menschen brauchten mehr Wohnraum, viele junge Familien lebten bei ihren Eltern. Wo früher Vorgärten waren, sind heute Abstellplätze für Autos. Allerdings verfügen die Einfamilienhäuser immer noch über ihre großen Gärten hinter den Häusern.

Heute ist die gesamte Siedlung nicht mehr in unserem Besitz. Viele Eigentümer haben die Fassaden ihrer Häuser verändert. Auch die Eingangsbereiche wurden individualisiert. Doch die Milchmädchen-Skulptur steht immer noch auf dem Efeuplatz. Heute, mehr als 90 Jahre nach ihrer Entstehung, steht die Skulptur unter Denkmalschutz.

Die Recherche der historischen Fotos konnte mit freundlicher Unterstützung der SK Stiftung Kultur umgesetzt werden. 

 

Text: Maria Hauser